Die Entscheidung ist gefallen. Es ist passiert!
Ich habe mir einen Ford Nugget mit Hochdach gekauft. Also einen Ford Tourneo Custom mit Westfalia Ausbau.
Eigentlich wollte ich ja einen klassischen Kastenwagen. Einen Pössl Roadcamp R oder den baugleichen Roadscout R von Globecar. Beide Fahrzeugtypen sind in der selben Preisregion unterwegs. Deswegen ein kleiner Rückblick meiner Eindrücke und Erfahrungen auf den Weg der Entscheidungsfindung.
Für den Anfang eine kleine grobe Gegenüberstellung:
Ford Nugget | Pössl Roadcamp R | |
---|---|---|
Länge | 4.972mm | 5.413mm |
Breite | 1.986mm | 2.050mm |
Höhe | 2.800mm | 2.580mm |
Gewicht (fahrbereit) | 2.580kg | 2.720kg |
Zul. Gesamtgewicht | 3.100kg | 3.300kg/3.500kg |
Radstand | 2.933mm | 3.450mm |
PS | 125/155 | 110/130/150/177 |
Der Ford Nugget ist aufgrund seines Hochdachs 22 Zentimeter Höher, 44 Zentimeter kürzer und ganz allgemein ein wenig schmaler. Wenn man vor den Fahrzeugen steht, wirkt der Pössl entsprechend wuchtiger gegenüber dem Nugget. Die 5,41m des Pössls sind natürlich eine Ansage für jemanden wie mich, der seinen Golf dagegen tauschen will. Da wird es nicht mehr ganz so leicht mit der Parkplatzsuche. Im Gegenzug sollte man Parkhäuser mit dem Nugget meiden, um ihn nicht in Cabrio zu verwandeln. Ist natürlich fraglich, ob mit ca. 2,60m beim Roadcamp Parkhäuser noch eine Option sind. Aber um gedankenlos auf einen gefüllten Supermarktparkplatz zu fahren, finde ich den Nugget praktischer - kein KO Kriterium, aber ein netter Bonus. Die restlichen Eckdaten waren für mich weniger relevant.
Außen groß, innen famos?
Kommen wir zu den inneren Werten der Protagonisten.
Und hier beginnt das Drama beim Pössl. Aufgrund der größeren Außenmaße hätte ich jetzt einen gefühlten Mehrwert an Wohnraumqualität im Inneren gegenüber den Ford erwartet. Dieses Gefühl hielt sich leider in Grenzen. Leider. Im Innern kommt nicht der Eindruck einer effizienten Nutzung auf. Obwohl der Wagen größer ist, fühlt es sich eng und irgendwie verbaut an. Das ist etwas, was ich eher im Nugget erwartet hätte. Vielleicht liegt es auch an diesem Zwei-Raum-Wohnkonzept, dass der Ford hier, trotz geringerer Außenmaße, das Gefühl einer optimalen Ausnutzung der Möglichkeiten vermittelt.
In die selbe Kerbe schlägt auch das Thema Rücksitzbank. Trotz 5,41m Fahrzeuglänge im Pössl ist die fast senkrechte Rücksitzbank mit Tisch eine Strafe Gottes. Einzig in der Version mit Raumbad kam beim Probesitzen weniger Klaustrophobie auf. Ich bin schon zart gebaut und nicht der der Allergrößte, aber das ist echt übel eng! Ich sitze im Nugget, obwohl er kleiner ist, wesentlich bequemer! Aber klar, irgendwo muss Schwund sein, wenn man versucht ein Doppelbett und Toilette in der Länge unterzubringen. Fairerweise muss man dazu sagen, das ist kein spezielles Problem von Pössl. Die Kastenwagenausbauer scheinen sich in dieser Klasse gefühlt sowieso nur im Dekor und den verwendeten Materialien zu unterscheiden. Der Ausbau ist in dieser Aufteilung bei fast allen nahezu identisch.
Küchenkacker
Womit ich jetzt zu einem pikanten Manko im Ford Nugget kommen. Die Toilette!
Während man im Pössl für das Klo eine geschlossene Kabine hat, zieht man das Gegenstück beim Nugget aus einem kleinen Schränkchen direkt in die Küche - mit allen Konsequenzen! Da schluckt man als zivilisierter Stadtbewohner erstmal trocken. Da kann man oben reinschaufeln und direkt ohne Umweg nach unten durchreichen! Naja, ich fahre ja alleine, von daher hält sich die Sorge um Privatsphäre ein wenig in Grenzen, komisch ist es trotzdem. Kurioserweise hat man "währenddessen" freie Sicht nach vorne raus und auch rein, wenn man nicht umständlich die Frontscheibe mit Thermomatten abklebt. Da hätte ich ja wirklich gedacht, dass Westfalia mit ihrer Erfahrung hinten einen kleinen unkomplizierten Sichtschutz anbringt.
Dieseltanker und baumelnde Beine
Was ich weiterhin bei Ford nicht verstehe, warum steht der Nugget ausnahmslos mit kleinem Dieseltank bei den Händlern? Der Wagen hat eine Dieselheizung! Er braucht Diesel! Der Aufpreis von 80l auf den 95l Tank ist geradezu lächerlich. Wieso muss man das selbst konfigurieren und ist nicht Standard? Zum Vergleich, der Pössl hat Serie 90l. Und zum Zeitpunkt dieses Eintrags werden die Kisten mit der 120l Konfiguration von den Händlern verkauft. Kurioserweise aber mit standardmäßiger Gasheizung. Die logische Kombination aus großem Tank und Dieselheizung scheint wohl eine zu verrückte Idee zu sein!
Zurück zum Innenraum des Pössls. Ein Punkt, welcher mir negativ aufgefallen ist, ist das Podest auf dem sich der umgedrehte Beifahrersitz befindet bzw. die Stufe, die davor ist. Wenn man sich draufsetzt baumeln die Beine in der Luft. Ist jetzt nicht die bequemste Sitzposition dort.
Ich muss leider auch etwas zur Lamellentür vom Raumbad sagen. Ich persönlich bin mit ihr nicht so richtig warm geworden. Kappergeräusche sind das Eine, aber ich stelle mir auch immer vor, wie man die einzelnen Lamellen säubern und putzen muss. Ebenso die Führungsschienen. Ich bin da mehr ein Freund von wartungsarmen Türen. Ich finde diese Lösung im Roadcamp R irgendwie nicht zufriedenstellend.
Die Einfachheit der Technik war für mich übrigens ein markanter Pluspunkt beim Nugget. Da noch nicht mal ein Boiler drin ist, der Wasserhahn nur von einer Tauchpumpe versorgt wird, das Klo seinen eigenen "Wasserkreislauf" hat, die Standheizung über den Dieseltank versorgt wird, habe ich als Laie das Gefühl eine etwas pflegeleichtere Technik im Einsatz zu haben. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch, mehr Luxus im Pössl, zumindest was die Wassertechnik angeht.
Manchmal ist weniger mehr
Eine weitere Sache die mir aufgefallen ist, sind die Pakete möglicher Erweiterungen beim Pössl. Damit meine ich so Sachen wie Kabelvorbereitungen für Rückfahrkamera, TV, Solar, Elektrik, stärkeres Fahrwerk usw. Auf der einen Seite ist es natürlich gut, dass so etwas angeboten wird, auf der anderen Seite stellt sich bei jedem Paket die Frage „brauche ich es, oder brauche ich es nicht?“. Natürlich brauche ich kein stärkeres Fahrwerk, aber die größeren Bremsen wären schon ganz nett. Natürlich brauche ich die Solarvorbereitung nicht sofort, aber später hätte ich vielleicht schon ganz gerne Solar. Rückfahrkamera hätte ich schon ganz gerne, aber würde es nicht auch eine Funklösung tun? Und so zermartert man sich den Kopf über ungelegte Eier und Eventualitäten. Gemäß dem Motto, jetzt den Grundstein legen, weil späteres Nachrüsten wesentlich teurer und schwerer wird.
Dann hat man sich am Ende für ein paar Optionen entschieden, um dann aber festzustellen, dass die Modelle beim Händler nur sporadisch mit diesen Paketen angeboten werden. Die für mich erstrebenswerte Kombination aus PS, Ausstattung und Paketen findet sich dann irgendwo im letzten Winkel von Deutschland. Dann greift man zu einem Modell mit anderer Ausstattung und hat permanent das „Ach hättest du doch einen mit Solarvorbereitung genommen, jetzt ist der Aufwand doppelt so hoch…“. Diese Situation hatte ich beim Ford Nugget nicht. Das Basisfahrzeug ist gleich schon im Serienzustand besser ausgestattet als die Ducato/Jumper Varianten (sorry, aber Radio sollte Standard sein) und ein Paket „Kabelvorbereitung für Rückfahrkamera“ gibt es gar nicht erst, weil es das Fahrzeug schon mit eingebauter Rückfahrkamera gibt! Generell gibt es beim Nugget nur eine überschaubare Auswahl an Optionen in der Westfalia Liste, welche besser vom Werk aus eingebaut werden sollte. Vieles ist Interieur und kann bei Bedarf nachträglich geordert werden. Ich gebe zu, ich bin da auch ein wenig simpler gestrickt. Je weniger Auswahl ich habe, desto weniger kann ich im Nachhinein bereuen. Da kam mir der Ford sehr entgegen.
Es herrschte bei mir ein wenig das Gefühl vor, mit dem Nugget kann ich sofort losfahren, alle Geräte sind an Board. Und bei den Händler-Pössls muss ich mir danach noch Gedanken um Radio, Rückfahrkamera etc. machen und nachträglich einbauen lassen, um dann festzustellen, dass Paket XY nicht drin ist, was das Nachrüsten teurer als nötig macht. Großer Pluspunkt für den Nugget bei mir!
Hier geht was rein!
Jetzt aber wieder was positive zum Roadcamp. Der Stauraum! Platz satt! Und dazu die Möglichkeit das Bett hochklappen zu können für noch mehr Stauraum in der Höhe. Damit kann man bei Ikea einkaufen gehen oder im Innenraum ruhig mal ein Fahrrad spazieren fahren. Sowas ist schon ein massives Argument für jeden, der den Wagen nicht nur zum Wohne sondern auch zum Transportieren braucht. Oder sogar beides gleichzeitig. Ganz klarer Pluspunkt für den Pössl. Da wird man im Nugget im Innenraum mit weniger Gepäck mehr Tetris spielen müssen. Für mich persönlich aber weniger bedeutsam, da ich ja alleine fahre und keine Hobbys mit sperrigen Gerätschaften pflege.
Eine charmante Option im Nugget ist die große Dachluke. Standardmäßig ist nur eine kleine verbaut, aber ich hatte die Möglichkeit an die große ranzukommen. Ich stelle mir das richtig schön vor, wenn man oben schläft und dann direkt in den idealerweise wolkenfreien Nachthimmel schauen kann. Zusätzlich ist sie natürlich super für mehr natürliches Licht im Innenraum. Ich lasse mich überraschen, ob das meinen Vorstellungen entspricht!
Top Secret
Kommen wir zum Thema Privatsphäre oder unauffälliges Nächtigen.
Mit solchen Fahrzeugen kann man auf Camping- und Stellplätze fahren, man muss es aber nicht. Da wäre es schon ganz schön, wenn von außen nicht sofort sichtbar wäre, dass dort jemand seine Fahrtüchtigkeit wieder herstellt. Grundsätzlich sorgen bei den Fahrzeugen Rollos und Gardinen für den nötigen Sichtschutz. Bei der Frontscheibe wird es schon ein wenig kniffliger. Da gibt es dann entweder Thermomatten oder teure Faltrollos, die diese Aufgabe übernehmen. Das hat allerdings den Nachteil, dass jeder von außen weiß was Sache ist, wenn die Fahrerkanzel abgedunkelt ist. Das heißt, diese Bereich sollte offen bleiben.
Beim Pössl ist es so, dass man damit einen direkten Blick von vorne bis hinten ins Bett hat. Man könnte die Lamellentür vom Klo ausfahren, so richtig optimal ist das aber nicht. Einige Anbieter bieten entsprechende Gardinen vor dem Bett oder hinter der Fahrerkanzel an. Beim Roadcamp R muss man da selbst Hand anlegen. Zusätzlich wäre dieses Vorhaben noch wegen der Aussparung am Schrank erschwert. Ich sage wie es ist, ich bin kein Handwerker und entsprechend wäre eine solche Realisierung nicht mal so eben möglich. Im Ford Nugget hingegen, ist der Einstieg ins Hochdach im Heck. Das bedeutet, wenn im Heckbereich die Gardinen zu sind, kann man von vorne zwar den Innenraum einsehen, aber man sieht nicht, dass oben jemand Augenpflege betreibt. Es macht den Eindruck, als wenn das Fahrzeug dort nur geparkt ist. Finde ich gut! Ich verspreche mir davon in Kombination mit der leichteren Parkplatzsuche einen echten Mehrwert. Natürlich kann man das auch prima mit einem Pössl realisieren, gar keine Frage, aber für mich als Laien bietet das Gesamtpaket in diesem Punkt einfach einen etwas leichteren Umgang.
Conclusio
Und damit bin ich jetzt auch mehr oder weniger am Ende angelangt.
Ich habe mich für den Ford Nugget aus konzeptionellen und auch praktischen Gründen entschieden.
Ich empfand ihn pflegeleichter und wartungsärmer, bei gleichzeitig weniger Nachrüstbedarf. Stauraum war für mich kein Thema. Und das innere Raumgefühl des Pössls stieg nicht im selben Verhältnis an, wie es die äußeren Maße des Wagens suggerieren. Dafür war die Enge gegenüber einem kleineren Fahrzeug wie dem Nugget nicht signifikant entschärfter. Das klingt in der Summe für den Pössl Roadcamp R negativer als es tatsächlich ist. Der Wagen ist trotzdem toll und ich zweifle in keiner Weise daran, dass ich mit ihn das Selbe erreichen würde, was ich mir vom Ford erhoffe. Ich bin dieser ganzen Thematik komplett unvoreingenommen reingestolpert und habe mangels Erfahrungswerte auf meine Intuition und Bauchgefühl gehört. Jemand mit mehr Erfahrung oder einer anderen Ausgangssituation wird zu einem komplett anderen Ergebnis kommen. Und sind wir mal ehrlich, chic sieht er ja auch aus, der es fast geworden ist:
Ich empfand ihn pflegeleichter und wartungsärmer, bei gleichzeitig weniger Nachrüstbedarf. Stauraum war für mich kein Thema. Und das innere Raumgefühl des Pössls stieg nicht im selben Verhältnis an, wie es die äußeren Maße des Wagens suggerieren. Dafür war die Enge gegenüber einem kleineren Fahrzeug wie dem Nugget nicht signifikant entschärfter. Das klingt in der Summe für den Pössl Roadcamp R negativer als es tatsächlich ist. Der Wagen ist trotzdem toll und ich zweifle in keiner Weise daran, dass ich mit ihn das Selbe erreichen würde, was ich mir vom Ford erhoffe. Ich bin dieser ganzen Thematik komplett unvoreingenommen reingestolpert und habe mangels Erfahrungswerte auf meine Intuition und Bauchgefühl gehört. Jemand mit mehr Erfahrung oder einer anderen Ausgangssituation wird zu einem komplett anderen Ergebnis kommen. Und sind wir mal ehrlich, chic sieht er ja auch aus, der es fast geworden ist:
Von meinem zukünftigen Ford Nugget gibt es leider kein Foto. Der wird noch in Rheda-Wiedenbrück zusammengeschraubt. Und Westfalia droht mit strafrechtlicher Verfolgung von gemobsten Produktbildern.
Eine Bemerkung zur anderen Hochdachalternative, dem VW Club Joker: Preislich scheint man da auf einem anderen Planeten zu leben. Oder der Wasserhahn ist aus purem Gold...
Eine Bemerkung zur anderen Hochdachalternative, dem VW Club Joker: Preislich scheint man da auf einem anderen Planeten zu leben. Oder der Wasserhahn ist aus purem Gold...
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